Einladung

WM-Produktion

präsentiert

Einladung zum Essen

»Verdammte Schweinerei!«, fluchte der schwarz gekleidte Mann, als er das Seibmoz betrat. Scherben pflasterten seinen Weg. Der Ankömmling war von hagerer Gestalt, Typ Bohnenstange, und sein silbern glänzendes, langes Haar lugte unter dem Schlapphut hervor. »Die Firma schickt mich. Was ist geschehen?« Er strahlte Macht und Autorität aus, ganz im Gegensatz zu dem beleibten Geschäftsführer des bekannten Münchner Gourmetrestaurants. »Es war doch nur Spaß «, jammerte der Chef de Rang. »Wer hätte gedacht… Ich wollte doch nur…«

Der hagere Mann legte seinen schwarzen Mantel ab, goss sich ein Glas Chateau Roudier ein und begutachtete das Chaos. Überall umgestürzte Stühle, zerbrochene Teller, ausgeschütteter Wein. Die einst blütenweißen Tischdecken blutbesudelt. Angewidert kickte er ein ausgerissenes und angebissenes Bein zur Seite. »Das komplette Personal, sagen Sie?« Er schüttelte verwundert den Kopf. »Das wird Ärger mit der Gewerkschaft geben!«

Der fette Geschäftsführer heulte auf: »Maurice! Mein Sternekoch. Einfach unersetzlich!«

Der fremde Mann setzte sich, legte seinen Schlapphut zur Seite. »Wenigsten haben sie sofort die Firma verständigt.« Bei dem Wort Firma blähten sich seine Nüstern und leichter Schwefelgeruch machte sich breit. »Jetzt gilt es die Schuldfrage zu klären. Lag es an Ihren Gästen oder Ihren Führungsstil?«

Der Geschäftsführer versuchte seine zerzausten Haare mit der flachen Hand in Form zu bringen. Eigentlich hatte er das Clean Team erwartet. Vincent Marchant, der Chef de Rang des Seibmoz, fühlte sich mal wieder ungerecht behandelt. Natürlich, wenn ihm einmal ein kleines Malheur passiert, wurde gleich ein Drama daraus gemacht. Alle konnten sie nur auf ihm rumhacken: die Firma, die Angestellten, und vor allen die Gäste. »Die Versicherung wird doch sicher für den Schaden aufkommen«, wagte er zu bemerken. »Bisher gab es nie Schwierigkeiten mit meinem Spezialmenü ‚EAT AND MOORE‘. Im Gegenteil: es war der absolute Renner.« Vincent schluckte ein paar bunte Happypillen mit französischem Cognac.

Der Schwarzgekleidete zückte sein Mac Book, rief ein paar Daten auf. »Betrachten Sie mich als Advocatus Diaboli, der stets hinterfragt, bevor er seine Meinung sagt. Ich kann sie selig sprechen und von jeder Schuld befreien. Oder ich empfehle der Firma den Laden dicht zu machen und unser Objekt wieder dem Makler Christobal J. Satànchia zu übergeben. Falls der Fehler an Ihrem Konzept liegt.«

»Das Restaurant schließen?«, fragte der Chef de Rang ungläubig. »Habe ich nicht jeden Monat die Gewinnmargen erhöht. Das alles ist nur meinem Einfall zu verdanken, den Gästen einmal im Monat ein besonderes Menü zu bieten.«

Der Anwalt sah ihn vorwurfsvoll an. »Wie konnte es dann zu diesem Fiasko kommen? Die Firma verliert nicht gerne Teile ihrer Angestellten. Das schadet dem Image.« Er lachte leise bei diesen Worten, ein gemeines hinterhältiges Lachen. Dem Chef de Rang fröstelte. Nur langsam begann der Beruhigungscocktail zu wirken. Er straffte seine Schultern. »Meine Gäste sind anspruchsvoll und immer auf der Suche nach dem ultimativen kulinarischen Kick. Nur wer ständig Neues bietet, kann sich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Deshalb kam mir die Idee ein Überraschungsessen zu kreieren, welches unter einem besonderen Motto steht. Unverschämt teuer und nur für eine Schaar handverlesener Gäste.« Der Geschäftsführer nahm noch einen tüchtigen Schluck Cognac, bevor er weiter berichtete: »Begonnen hatte alles mit einem Zwergenauflauf. Ich lud nicht nur Schneewittchens Mannschaft ein, sondern auch Liliputaner und andere Wichtel, dekorierte das Lokal mit vulgären Gartenzwergen. Statt Wachteleier gab es nun diese von Zwergen, untermalt von einem kleinen Komiker der Witze riss a la „Warum lachen Zwerge beim Fußball spielen? Antwort: Weil die Grashalme die Eier kitzeln.“ Es wurde ein rauschender Erfolg. Ab sofort veranstaltete ich jeden Monat mein Mottoessen. Und nehmen Sie nur meine Herbstüberraschung: Das Fest der Weinköniginnen. Ein wahrer Augenschmaus. Mein Einfall machte Furore. Ich konnte mich vor Reservierungen kaum mehr retten. Aus aller Welt kommt mittlerweile die Prominenz. Letzten Monat beehrte uns sogar Michael Jackson. Es gab ‚Die Wiener Sängerknaben‘. Man war begeistert.«

»Doch diesmal ist alles schief gelaufen?«, gab der Anwalt zu Bedenken und füllte sein Rotweinglas nach.

Der Geschäftsführer nickte. »Ich dachte meine Stammgäste besitzen mehr Humor. Immerhin fand dieser monatliche Event am 1.April statt. Ich nannte unser Motto: Fasten statt Fastfood. Das Menü bestand aus Strohpuppen und einem Hungerkünstler. Es sollte eine Kontrapunkt zum großen Fressen sein, zum Nachdenken anregen. Der Mensch lebt nicht vom Fleisch allein.«

Der Abgesandte der Firma putzte gelangweilt seine goldene Brille mit den kreisrunden Gläsern. »Aber die besonderen Eigenheiten ihrer Gäste hatten Sie nicht ins Kalkül gezogen«, bemerkte er trocken. »Man braucht doch den Namen des Restaurants nur rückwärts zu lesen, um zu wissen, welche Art von Kundschaft hier verkehrt. Seibmoz ist immerhin das Anagramm für Zombies.«

Der Chef de Rang gab sich zerknirscht. »Das ist richtig, stimmt aber so nicht. Und Hollywood zeigt leider ein völlig verzerrtes Bild von meinen Gästen. Zombies sind auch nur Menschen wie du und ich, nur etwas mehr tot. Übrigens sehr hervorragend nachzulesen in dem brillanten Fachwerk von Simone Edelberg: Auch Zombies brauchen Liebe.« Der Geschäftsführer gönnte sich noch einen großen Schluck Cognac. »Meine Untoten (er machte mit den Fingern die gedanklichen Gänsefüßchen) gehören nicht zur unteren Schicht ihrer Spezies, sondern zur globalen Schickeria. Sie benutzen Make-up, um ihre herabgefallenen Fleischfetzen dezent zu überdecken, bevorzugen Eleganz und Stil, tragen den Duft der weiten Welt und kleiden sich gerne auch mal bei Mooshammer am Ostfriedhof ein.«

Der Anwalt kicherte: »Aber Ihre Diätkost brachte sie in Rage.«

Der Chef de Rang nickte. »Sie verlangten das komplette Küchenpersonal zu sprechen, ganz von Sinnen vor Hunger. Als Maurice »April, April« rief, zerfetzten sie meinem Sternekoch die Kehle, dass das Blut nur so spritzte. Dann zerrissen sie den Sous Chef, fraßen seine Eingeweide. Es folgte der Sommelier, getunkt in Rotwein. Ein wahres Massaker. Selbst die Kellner und Piccolos wurden nicht verschont.« Wehleidig betrachtete der Chef de Rang den Trümmerhaufen seines Restaurants. Das hatte er nicht geplant, egal wie sehr er die arrogante Art seiner Gäste manchmal verabscheute. Er blickte auf seine Galerie berühmter zeitgenössischer Kunstwerke. Das Bild ‚Tat Ort‘ von Hilde Sauer war mit Blutstropfen befleckt, auch das Werk von Monika Veth hatte ein paar Spritzer abbekommen. Die Kollektion »Anderssichten « von Angela Widholz war zum Glück fast unversehrt geblieben.

»Ich hoffe das wird Ihnen eine Lehre sein«, bemerkte der Anwalt trocken. »Mit Essen spielt man nicht! Sie sollten etwas an Ihrem Konzept arbeiten.«

Der Geschäftsführer verteidigte sich vehement: »Die Idee ist ebenso einfach wie genial. Eine Gruppe Ehrengäste, die unter dem jeweiligen Motto stehen, verkörpern mein Spezialmenü. Betrachten Sie es nur einmal vom kaufmännischen Aspekt: Keine hohen Lebensmittelkosten, Lieferung frei Haus und Frischfleisch für meine verwöhnten Kunden.«

Der Anwalt schien langsam überzeugt. »Es spricht eine Menge für die Fortführung Ihres Betriebes. Falls Sie Ihre Kundschaft in Zukunft nicht mehr provozieren.«

Der Geschäftsführer nickte eifrig. »Für meine Gäste lasse ich mir die Hand abhacken.« Er deutete auf seinen Armstumpf.

Der Mann von der Firma gab sich nachsichtig. »Okay, buchen wir Ihren Lapsus als Personalessen ab. Die Sauerei wird bereinigt und neue Leute bekommen Sie erst mal von der Zeitarbeitsfirma Conkraft. Ich hoffe Ihnen unterläuft kein weiterer Fauxpas. Darf ich fragen: was ist als nächstes geplant?«

»Ich will meinen Gästen etwas mehr Kultur bieten«, erklärte der Geschäftsführer, hocherfreut über die neue Chance, sich zu beweisen. »Unser nächstes Motto ist: Künstler zum Abendessen. Das Menü besteht aus Musikern, Malern und Literaten; Textzüchtern und anderen Kreative. Garniert mit Fans. Die speziellen Gäste werde ich an Hand einer großen Leseparty aussuchen.«

Der Anwalt nickte zufrieden. »Dann wünsche ich allen viel Spaß bei dieser Leseparty!«









P r o g r a m m
Einlass: 12.00 Uhr
12:15 Begrüßung der Gäste

12:30 Der Zwergen Code
oder: Sacrificium
Ein Zwergen-Triller von Wolf Matz

13:15 Auch Zombies brauchen Liebe
von Simone Edelberg

14:00 Dognapping
von R.W.Matz

14:30 Pizzaboy
von Sabine Brandl
(Im Anschluss ein kurzer Textauszug ihres neuen Romans: Und täglich grüßt die Erinnerung)

15:15 Das verschwundene Testament
von R.W.Matz
aus "Detektiv auf Probe"

15:40 Schallende Verse
von Jan Eike Hornauer

15:45 Rätselpreisverleihung

Anschließend gemütliches Beisammensein